Geschäftsfall Apotheke
ein Film von Florian Kröppel
TV Dokumentation -
fertiggestellt

Österreichs Apotheken sind nach wie vor ein hochgezüchteter Eckpfeiler des österreichischen Gesundheitssystems. Damit das auch in Zukunft so bleibt, setzt sich eine mächtige Lobby für die Interessen der Apothekerinnen ein. Aber bleibt dabei auch immer bloß das Wohl der Patientinnen im Auge oder geht es dabei um die schlichte Verteidigung der Pfründe? Immerhin sind die allermeisten Apotheken in Österreich florierende Wirtschaftsbetriebe. Was steckt hinter dem System der Pillenhändler?

Die 1415 heimischen Apotheken erwirtschaften etwa fünf Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Das ist in etwa ein Drittel des Umsatzes der gesamten Tourismusindustrie. Wofür genau das Geld in der einzelnen Apotheke ausgegeben wird, kann man nicht sagen, da jede Apotheke ein eigenes wirtschaftliches Unternehmen ist und die Details nicht offenlegt. „Aber generell gilt, dass bei den meisten Apotheken etwa drei Viertel des Umsatzes mit Kassenrezepten gemacht werden“, sagt Susanne Ergott-Badawi, Mitglied des Präsidiums der Österreichischen Apothekerkammer. Das heißt ein Viertel, oder etwa eine Milliarde Euro, wird nicht mit Medikamenten auf Rezept, sondern mit Produkten gemacht, die die Kunden zu Gänze selbst bezahlen. Nikotinpflaster, Sonnencreme und Vitaminpräparate sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der großen Vielfalt des Angebots einer gut gehenden Apotheke.

Die Apotheken haben hier den Vorteil ihres guten Rufes. Was die Apothekerin empfiehlt wird womöglich seltener abgelehnt als andere Konsumprodukte. Dabei ist längst nicht alles in der Apotheke so wirksam wie die Pillen auf Rezept. Besonders die massive Vermarktung von Vitaminen und Spurenelementen wird von Konsumentenschützern und Medizinern kritisiert: Viele sind unwirksam, manche bei höherer Dosierung sogar gesundheitsschädlich. Dazu kommt der oft stolze Preis, des für das eine oder andere Ergänzungspräparat bezahlt werden muss. Die Apothekerpreise sind nicht umsonst sprichwörtlich geworden.

Teure Diagnostika mit zweifelhaftem Sinn

Es ist einer der Pharma-Trends der letzten Jahre: Die Diagnostika. Damit sind Produkte gemeint, die versprechen, mittels Speichel-, Urin- oder Bluttest so manches bestimmen zu können. Wer braucht da noch einen Arzt, wenn man sich in der Apotheke einen Test für die eine oder andere Krankheit besorgen kann um zu erfahren, an was man leidet oder nicht?

Natürlich waren und sind die Corona-Tests eine wahre Goldgrube für die Pharmazeutische Industrie. Kenner der Szene wissen aber, dass im Hintergrund schon längst weitere Tests für viele andere Krankheiten, Zustände oder Seinsweisen lauern.
Für die Ärztevertreter ist klar, dass eine gründliche Diagnostik nur durch Vertreter ihres Standes erhoben werden kann. Aber die Lebensrealität zeigt vor allem durch die Erfahrungen der Pandemie in eine andere Richtung: Mit dem richtigen Werkzeugkästchen ausgestattet kann man bequem zu 
Hause in Erfahrung bringen, ob man gesund, krank oder vielleicht irgendwas dazwischen ist. Und die Preise für diese Kits sind nichts für schwache Nerven: 25 Stück Cholestrol-Teststreifen kosten schon mal knapp hundert Euro. Der einmalige „Zuhause Test gesunder Magen“ kostet 18 Euro. Ebensoviel der Test für Zöliakie. Für rund 60 Euro kann man seinen Testosteronwert bestimmen lassen. 20 Euro und man kennt seinen Eisenwert.

Für die Apotheker ist es einen Win-Win Situation. Erst verkaufen sie den Test, und danach das Mittel gegen das, was gefunden wurde.
Seriöse Mediiner zweifeln an der Aussagekraft dieser Tests. Ohne eine ordentliche Anamnese und fachkundiger Einschätzung der jeweiligen Parameter ist es nahezu fahrlässig solche Tests an Laien zu verkaufen. Und trotzdem ist das Geschäft damit nicht nur zulässig, sondern auch höchst lukrativ.

Die Apotheken-Managerin

Kaum eine Person kennt die Szene in Österreich besser als Viktoria Hausegger. Die Unternehmensberaterin arbeitet seit über zwei Jahrzehnten mit Apothekerinnen, die mehr aus ihrem Betrieb herausholen möchten. Die Insiderin spricht davon, dass das Onlineangebot und die größer werdenden Drogerieketten am Geschäftsmodell der Apotheke nagen. Um dem entgegenzuwirken, verkauft sie nicht nur ihre Bücher, sondern bietet auch Marketingkurse an. „Heute ist es wichtig, die gesamte verfügbare Energie des Unternehmens Apotheke auf – gegebenenfalls neue – mögliche Chancen und Wege zu konzentrieren. Das passiert noch viel zu wenig, während sich die Mitbewerber längst professionell rüsten. Es gilt, vier wichtige Größen für den Erfolgskurs zu entwickeln: eine klare, aussagekräftige Positionierung, das Kundenkontaktpunkt- Management, das Mitarbeiterkontaktpunkt-Management und das Ressourcen-Management.“

Viktoria Hausegger weiß, dass ausgezeichnete Pharmazeuten nicht immer auch ausgezeichnete Geschäftsleute sind. Vielleicht gibt es auch deshalb nach wie vor den so genannten Gebietsschutz bei Apotheken in Österreich. Eine Verordnung, die den echten Wettbewerb unter den Pharmazeuten zumindest einschränkt. Immer wieder stand dieser Gebietsschutz auch in der Kritik. 2015 klagte eine Pharmazeutin und bekam vom EuGh recht. Die Einschränkungen der Apothekerkammer schienen Geschichte zu sein. Aber der VwGH in Wien hielt in seinem Spruch von 2017 fest, dass dennoch in jedem einzelnen Fall von der Kammer geprüft werden muss, ob ein Bedarf an einer neuen Apotheke vorhanden ist. Und so besteht weiterhin Protektion für die fast eineinhalbtausend Betriebe in Österreich.

Staatliche Preisgestaltung

Überhaupt ist beim Handel mit den Medikamenten vieles bis ins Detail geregelt. Die meisten Verordnungen gelten dabei für ganz Österreich. Insbesondere die Preisgestaltung von Medikamenten. Dabei wird keine Rücksicht darauf genommen, ob die Apotheke nun in einer ländlichen Region, oder Mitten in einer belebten Einkaufsstraße steht. Und das führt zu so manchem Konfliktpotential. Die Apotheke darf nur einen bestimmten Prozentsatz an Aufschlag für ein gelistetes Präparat verlangen. In etwa zehn Prozent des Fabrikspreises dürfen die Pharmazeuten den Krankenkassen weiter verrechnen. Das kann bei einer hohen Kundenfrequenz ein gutes Geschäft sein. Wenn der Standort aber gesundheitspolitisch zwar sinnvoll, aber wenig kaufkräftig ist, sprechen einige Betroffene von einem Groschengeschäft. Die Zusatzeinnahmen durch Kosmetika und andere Produkte sind dann auch meistens nicht so ertragreich. Da solche Standorte den genau selben Prozentsatz wie eine Großapotheke in der Innenstadt verrechnen dürfen, ist es laut Insidern kein Wunder, dass Jahr für Jahr Apotheker Konkurs anmelden müssen.

Um doch noch ein lukratives Geschäft zu machen, sind also vor allem kleine Standorte darauf angewiesen, das Nebengeschäft mit nicht verschreibungspflichtigen Medizin- und Beautyprodukten zu forcieren.

Klein aber fein - die Hausapotheke

Die Versorgungslage mit Pharmazieprodukten ist vor allem in den entlegenen Gebieten Österreichs nach wie vor ein viel diskutiertes Thema. Je weiter man von einem größeren Ort entfernt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Praktische Arzt bei sich in der Ordination eine so genannte Hausapotheke führt. Damit ergibt sich eine Personalunion, die nicht frei von Konfliktpotential ist. Überall sonst kontrolliert der Apotheker, was der Arzt verschreibt und übt so eine wichtige Funktion innerhalb des Gesundheitssystems aus. Im Falle der Hausapotheke entfällt dieser zweite Blick auf den Verschreibungszettel zur Gänze. Zudem verdient der jeweilige Arzt auch direkt an den von ihm verschriebenen Arzneien.

Laut Ärztekammer sind damit aber keine hohen Gewinne zu erwarten. Eine Versorgung dieser Patienten mit Medikamenten wäre ansonsten auch nur mit höherem Aufwand verbunden. Ein schaler Beigeschmack bleibt aber dennoch. Denn wenn die Verordnung nicht kontrolliert wird und sich daran auch noch doppelt verdienen lässt, ist die Versuchung für die eine oder andere Mehrverschreibung durchaus gegeben.

 

 

TV-Dokumentation 45 Minuten HD 16:9, Produktionsjahr 2023