Lachs ist der wohl beliebteste Speisefisch weltweit. Nimmt man den jährlichen Verbrauch der EU und Großbritannien zusammen, ergibt das weit mehr als eine Million Tonnen des begehrten Fisches. Bei einer solch enormen Menge darf es nicht verwundern, dass der Lachs aus dem Supermarktregal kaum mehr mit einem Netz aus dem Nordatlantik gezogen wird, sondern aus einer der zahlreichen Lachsfarmen stammt. Solche Farmen bestehen entweder aus riesigen Tanks an Land, oder Bassins im Meer. Lange Jahre galt der Zuchtlachs als sinnvolle und nachhaltige Alternative gegenüber seinen freilebenden Artgenossen. Mit solchen Farmen sollte der Überraschung der Meere Einhalt geboten werden. Aber konnte diese Rechnung aufgehen?
Das Problem der Überfischung begleitet uns bereits mehrere Jahrzehnte. Bereits Anfang der 1990er Jahre warnten Umweltorganisationen vor dem drohenden Zusammenbruch der Bestände. Einiges hat sich in den letzten 30 Jahren zum Schutz der Meeresbewohner auch getan. Aber ein wesentlicher Faktor ist immer größer geworden: Unser Hunger nach noch mehr Fisch! Gibt es überhaupt noch eine Möglichkeit, dass wir das maritime Ökosystem retten?
2022 wurden weltweit 165 Millionen Tonnen Fisch verzehrt. Vor zehn Jahren waren es noch um 30 Millionen weniger. Der Fang von wild lebendem Fisch dagegen liegt dem Bericht zufolge schon seit Längerem auf einem stabilen Niveau. Während sich der Fischfang zwischen 1986 und 2018 von 87 Millionen Tonnen jährlich auf 96 Millionen Tonnen erhöht hat, hat sich im selben Zeitraum die Produktion von Aquakulturen von 15 auf 82 Millionen Tonnen mehr als verfünffacht. Insgesamt machen Fische aus Aquakulturen 52 Prozent des weltweiten Fischkonsums aus.
Wir züchten uns das Problem selbst
Befürworter der industriellen Aquakultur behaupten schon lange, dass diese so genannte "blaue Revolution" nicht nur billiger, sondern auch nachhaltiger ist als der Konsum von wildgefangenen Fischarten, deren Bestände erschöpft sind. Doch der allzeit verfügbare, künstlich rot gefärbte Lachs, der in den Delikatessenläden der westlichen Welt angeboten wird, lässt nichts von der Zerstörung ahnen, die diese Industrie in den Erzeugerländern bereits verursacht hat. In der Lachszucht werden riesige Mengen an Fischen in beengten, voneinander abgeteilten schwimmenden Netzgehegen gehalten. Eine typische Lachsfarm kann bis zu einem Dutzend Netzgehege haben, die jeweils mit bis zu 15.000 Fischen besetzt sind. Das Hauptproblem: In Farmen der älteren Bauarten brauche man für einen Kilo Lachs in etwa 4 Kilo fetter Fisch - z.B. Hering, Sandaal, Sardine oder Makrele als Futter für den Speisefisch. Diese Fischarten werden im wahrsten Sinne des Wortes aus den Meeren gesaugt - das marine Ökosystem gerät dabei entsprechend aus dem Gleichgewicht. Dazu kommt das Problem des Medikamenteneinsatzes: Wie bei allen Formen von Massentierhaltung, wo eine große Anzahl von Tieren auf verhältnismäßig engem Raum gehalten wird, breiten sich auch in der Lachszucht Krankheiten sehr leicht aus. Es ist üblich, regelmäßig Antibiotika in das Futter von Zuchtlachsen zu mischen. Das führt letztlich zu Antibiotika-resistenten Bakterien im Boden unter den Netzgehegen. Diese Bakterien stellen wiederum für die menschlichen Konsumenten und das an die Zuchtanlagen angrenzende Ökosystem ein Risiko dar. Ein weiteres Problem ist die Überdüngung jener Meeresbuchten, in denen die Lachsfarmen angesiedelt sind. Man stelle sich nur die Menge an Fischexkrementen in Kombination mit dem überschüssigen, auf den Meeresgrund gesunkenen Futters vor. Wissenschaftler und Umweltschützer schlugen gleichermaßen Alarm.
Verbesserung durch Technik
Die Probleme wurden auch durch die Betreiber der Fischfarmen erkannt. In den letzten fünf Jahren wurden zumindest in großen Teilen der europäischen Produktion richtungsweisende Innovationen eingeführt. Allen voran die Unterwasserkameras, die hochsensibel reagieren, wenn die Lachse aufhören zu fressen. Dann stoppt automatisch die Futterzufuhr. Allein mit dieser Maßnahme wurde erreicht, dass nicht mehr rund 4 Kilo, sondern „nur“ noch 1,3 Kilo Fangfisch für einen Kilo Lachs aufgebracht werden müssen. Eine weitere Neuerung sind die Impfstraßen für Lachse. Die Tiere können nun gegen die wichtigsten Krankheiten geimpft werden, wodurch sich der Einsatz von Antibiotika in den Zuchtanlagen drastisch verringert hat. Dennoch dürfen konventionelle Lachserzeuger Antibiotika prophylaktisch einsetzen.
Ist Bio eine Alternative?
Trotz dieser technischen Innovationen ist die Lachszucht sowohl für die Tiere, als auch für das Ökosystem überaus belastend. In den konventionellen Anlagen dürfen in Europa zwei Kilo Fisch auf einem Kubikmeter Wasser „schwimmen“. Beim Biolachs hingegen ist das gerade einmal die Hälfte. Es sind vor allem Länder, die die Marktmacht des Branchenführers Norwegen umgehen wollen, die auf Biolachs setzen. Aus diesem Grund haben sich in den letzten Jahren vor allem in Irland und Schottland innovative Unternehmen angesiedelt. Die MOWI-Gruppe ist eine davon. Solche Produzenten haben sich auch auf die Verwendung von nachhaltigem Fischmehl verpflichtet. Dabei wird die Fischnahrung aus den Abfällen von Speisefischen gewonnen, wodurch keine zusätzlichen Fische gefangen werden müssen. Allerdings - und hier ist einer der Haken - nur solange dieses Fischmehl auch verfügbar ist. Experten schätzen, dass bei modernen Bio-Zuchtanlagen etwa 30 Prozent der verwendeten Nahrung tatsächlich nachhaltig produziert ist. Der weit größere Teil kommt immer noch frisch aus dem Meer. Auch der Bio-Lachs wird, wie mittlerweile auch große Teile der konventionellen Produktion - geimpft. Und auch der Einsatz von Antibiotika ist unter bestimmten Vorraussetzungen erlaubt. Nämlich dann, wenn genaue Fristen in Bezug auf das Entwicklungsstadium des Fisches eingehalten werden. Man sieht - die Erzeugung von Biolebensmittel geht in vielen Punkten in die richtige Richtung. Bei einer Massenproduktion für hungrige Menschen kann aber nicht jedes Übel ausgeschlossen werden.
Der schwer belastete Fisch
Zu den Problemen mit der Keimbelastung und den Auswirkungen auf das Ökosystem gesellt sich noch ein weiteres Problem: Meeresbiologen finden immer wieder eine extrem hohe Schwermetall- und Quecksilberkonzentration in Meeresfischen wie Thunfisch oder Schwertfisch. Und auch unsere heimischen Fische sind alles andere als frei von Schadstoffen. Heimische Biologen haben Karpfen, Saiblinge und andere Arten aus heimischen Gewässern getestet. Für den Nachweis von Methylquecksilber wurde am Umweltbundesamt sogar ein neues Verfahren entwickelt. Für Helmut Burtscher sind die Ergebnisse alles andere als erfreulich: „Wir haben in Österreich Fische getestet. Die waren deutlich unter dem gesetzlichen Grenzwert, somit okay und offiziell sicher. Wenn man sich aber nicht den gesetzlichen Grenzwert anschaut, sondern den toxikologischen, also den gesundheitlichen Richtwert, stellt man fest, dass ein Kind bei nur zweimaligem Verzehr von Fisch in der Woche den Grenzwert bereits überschreitet.“
20 Mikrogramm Quecksilber pro Kilogramm Fisch, gelten als gesundheitlich unbedenklich. In weißem Thunfisch werden bis zu 350 Mikrogramm pro Kilogramm gefunden.
Auch der sogenannte Beifang aus den Meeren ist belastet. Aus ihm gewonnenes Fischmehl und –öl werden in fast jeder Aquakultur verfüttert und können sich so auch in Zuchttieren anreichern.
Es gibt Alternativen
Muss man nun gänzlich auf den Fisch verzichten? Wenn man den Fisch komplett vom Teller nimmt verlieren wir nicht nur einen lieb gewonnen Genuss. Immerhin ist ein unbelasteter Fisch auch Lieferant für wertvolle gesättigte Fettsäuren und gilt als ein gesundes Lebensmittel.
Gerhard Zechner aus dem Burgenland hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur gesunden Fisch zu produzieren, er möchte auch ein Beispiel für eine gelungene Kreislaufwirtschaft geben: Die Welse hier werden garantiert frei von Schwermetallen sein. Der Gehalt an Protein und Aminosäuren seines Futters für die Fische kann mit dem aus anderen Meeresbewohnern durchaus mithalten. Es sind die Larven der Soldatenfliege. Diese wiederum werden einfach mit Biomüll gefüttert. Aus Bio-Abfällen entsteht so hochwertiges Eiweiß, das den Fischen schmeckt. In Österreich fallen jährlich alleine in Haushalten rund 1,5 Millionen Tonnen Biomüll an, die so zu wertvollem Tierfutter werden könnten. Gerhard Zechners eigenwillige Versuchsanlage ist zusätzlich zum ungewöhnlichen Futter bemerkenswert. Denn die organischen Ausscheidungen der Welse kommen durch ein Bewässerungssystem ins benachbarte Gewächshaus. Ein geschlossenes System mit minimalem Ressourcenverbrauch. Aus Bio-Abfällen entstehen Speisefische und dann noch biologisches Gemüse.
Wann ist ein Fisch ein Fisch?
Ein großes Problem sehen Umweltschützer/innen auch in den großen Schleppnetzen der Konzerne. Diese reichen bis auf den Meeresgrund und zerstören dort die gesamte Fauna, inklusive der Kaltwasserkorallen, die oftmals die Basis für einen fischreichen Lebensraum darstellen. Zwar hat die EU vor wenigen Jahren die Reichweite dieser Netze auf maximal 800 Meter Tiefe reguliert. Wer das kontrollieren soll steht aber auf einem anderen Blatt Papier. Zudem ist in den letzten Jahren auch ein Streit darüber entfacht, ab welcher Größe die Fische als adult gelten, und somit gefischt werden dürfen. Ganz konkret geht es hier um die Größe der Fangmaschen. Biologen beurteilen anhand der Fischgröße nämlich auch, ob sich ein Fischbestand in ausreichender Zahl vermehren kann. So darf ein Dorsch laut der Fischereiverordnung der Europäischen Union ab 35 Zentimeter Länge gefangen werden. Doch erst ab einer Körperlänge von 50 Zentimetern ist dieser Fisch nach Auffassung von Meeresschützern erwachsen und kein Jungtier mehr. Erst dann haben die Fischweibchen bereits Eier abgelaicht und für Nachwuchs gesorgt. Und erst danach, so fordern es die Umweltverbände, sollte der Fischbestand zum Fang freigegeben sein. Laut einigen Meeresbiologen sind etliche dieser Größenangaben im Gesetzestext geringer als jene Körpergröße, die der jeweilige Fisch bis zu seiner Fortpflanzungsreife erreicht haben muss. Zum Beispiel betrifft dies Kabeljau, Seehecht, Schellfisch, rote Meerbarbe, Norwegischen Hummer (Kaisergranat) sowie Schwertfisch. Mit größeren Maschen würden die Jungtiere eher geschützt sein. Der Gesamtertrag eines Kutters wäre aber natürlich weit niedriger. Ein Streit zwischen Wissenschaft und Lobbyisten, der den Konsumenten nicht kalt lassen sollte.
Regional ist besser
Mit Jungfischen kennt sich auch Markus Brauche aus dem niederösterreichischen Gutenstein aus. Der Fischzüchter hat sich auf Saiblinge und Forellen spezialisiert, für die eine Zucht wie bei den Welsen im Burgenland nicht funktionieren würde. Für seine Fische baute er ganz spezielle Becken: Otktogonförmige Holzbecken.
Durch die spezielle Bauweise der Becken ist der Fisch dazu angehalten in eine Richtung zu schwimmen. Durch die dadurch entstehende Zirkulation des Wasser treiben die Fäkalien in die Mitte des Beckens, die dann einfach entsorgt werden können. Zudem baut der Fisch durch die ständige Bewegung viel Muskelmasse auf. Das ist nicht nur gut für die Gesundheit des Fisches, sondern auch für die Konzentration der gesundheitsförderlichen Fettsäuren dienlich. „Wir schauen, dass der Fisch Muskulatur aufbaut. Und die Muskulatur baut er auf in dem wir immer nur kurze Futterstöße abgeben. Und dann wieder eine Pause machen, und dann wieder kurze. Dadurch entwickelt der Fisch so eine Muskulatur, wie das Bodybuilder z.b. machen.“