Wir sind mehr als die Summe unserer Gene. Umwelteinflüsse wie Ernährung, Traumata, Krankheit oder unser Lebensstil sind in der Lage, bestimmte Gene ein- oder auszuschalten.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergleichen diese neuen Erkenntnisse mit dem Bild eines Klaviers: Die Saiten und Tasten repräsentieren die Gene, aber erst das Anschlagen der Tasten bringt die Melodie des Lebens zum Erklingen. Ein lang gehegtes Dogma der Biologie wird damit umgestoßen: die Idee, dass die Eigenschaften eines Organismus durch das vererbte Genmaterial unveränderbar bestimmt werden.
Kurt Langbein und Andrea Eder sind durch Europa gereist, um filmisch einzufangen, was die junge Forschungsrichtung „Epigenetik“ im zu Ende gehenden Jahrzehnt herausgefunden hat. Mäusebabies etwa, die einige Stunden von der Mutter getrennt wurden, leiden unter den Trauma-Folgen mit massiven Gesundheitsproblemen – und geben diese bis in die 5. Generation weiter. Menschen, die im holländischen Hungerwinter 1944 gezeugt wurden, leiden vermehrt unter Stoffwechselstörungen - und ihre Kinder ebenfalls. „Wir existierten zum Teil schon im Körper unserer Großmutter. Das Ei, aus dem wir wurden, bildete sich zwei Generationen vor unserer Geburt“, kommentiert die Amsterdamer Biologin Tessa Roseboom die Ergebnisse der Studie.
Tatsächlich zeigt die Epigenetik, dass selbst subtile Umweltveränderungen auf unser Erbgut zugreifen – die neue Forschung zeigt, dass die Entstehung von Krankheiten oder die Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen epigenetisch beeinflusst sein kann – auch wieder in die positive Richtung.