Das Geschäft mit dem Martini-Gansl
Ein Film von Stefan Wolner und Larissa Putz
TV Dokumentation -
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Die Tage werden kürzer, der Herbst ist da und schon steht am 11. November das traditionelle Martinsessen an. Der Hauptakteur der Mahlzeit: die Martinsgans. Was sich gemütlich und schmackhaft anhört, kann einem angesichts der Haltungsbedingungen den Appetit verderben. Doch während zwar in Österreich strenge Haltungsvorschriften herrschen und auch die Inlandsproduktion steigt, kommen aufgrund der hohen Nachfragen nach wie vor, die meisten Tiere aus dem Ausland, meist aus Ungarn, Polen oder Frankreich. Hier nehmen es die Züchter mit artgerechter Tierhaltung nicht ganz so genau. Und um die Massen an Gänse bereit stellen zu können, musste industrialisiert werden. Das Tierwohl bleibt oft auf der Strecke.

„Der Weg in eine industrialisierte Gänsehaltung wurde eingeschlagen, um einfach dieses Produkt ganz möglichst billig anbieten zu können pro Kilogramm und dabei ist es in erster Linie ganz klar auf der Strecke geblieben, das Tierwohl. Wir haben also ganz hohe Tierdichten, die Umgebung ist überhaupt nicht adäquat, damit die Tiere irgendwie ihr natürliches Verhalten einigermaßen ausleben können.“, meint der Nutztierwissenschaftler der Universität für Bodenkultur Prof. Werner Zollitsch. Schätzungsweise 530.000 Gänse werden jedes Jahr verspeist, davon stammen 1/3 aus dem Ausland. Während die Standards im Ausland sehr schlecht und undurchschaubar sind, sieht es in Österreich oft beispielgebend anders aus. Bereits Anfang Juni lässt der Biobauer Hans Reisenbauer seine jungen Gänse auf die hofeigene Weide, wo sie frei und entspannt ihr gesamtes Leben verbringen. Neben Kräutern und Gräsern bekommen sie bestes Getreide und Klee. Der Kostenfaktor ist daher erheblich und vor allem dieses Jahr massiv gestiegen. Das Kilo Bioweidegans liegt ca. bei 14 Euro, während die konventionelle gefrorene Ware aus den Nachbarländern nur die Hälfte kostet.

 

Die Gans ist aber nicht nur zu Martini und zu Weihnachten beliebt. Auch Nebenprodukte wie Daunen und die Stopfleber stehen immer wieder in der Kritik.

„Die Tiere werden bis zu viermal gerupft in ihrem Leben. Elterntiere, das heißt Tiere, die zur Zucht verwendet werden, die werden sogar bis zu 16 Mal in ihrem Leben gerupft. Das ist eine ganz grausame Prozedur, die die Tiere hier über sich ergehen lassen müssen.“, kritisiert Veronika Weissenböck von den Vier Pfoten.

Beliebt auch nach wie vor, die französische Delikatesse: Die „Foie gras“, oder auch Stopfleber. Gänse werden bis zu sechsmal täglich zwangsgefüttert – über einen Zeitraum von 21 Tagen. Dazu wird ein langes Metallrohr in den Hals gerammt, durch das ein Kilo Schweinefett und Maisbrei in den Magen gestopft werden. Die Leber vergrößert sich massiv. „Um das mal zu illustrieren, die Leber einer ausgewachsenen, also einer schlachtfertigen Mastgans wird so üblicherweise irgendwo im Massebereich von ungefähr 250 Gramm liegen. Würde dunkelrot gefärbt sein, wie wir es von einer Leber eben kennen. Eine Leber einer Stopfgans wiegt dann so bis zu etwa 1000 Gramm. Also eine Vervierfachung der normalen Masse,“, so der Nutztierwissenschaftler. Verkauft wird dieses Produkt vom Fleischer Andreas Steiner. Die Kunden, vor allem die Spitzengastronomie würde nicht mehr bei ihm einkaufen, wenn er sie nicht mehr anbieten würde. „Also würden wir die Leber nicht anbieten aus moralischen Gründen, aber sie wird verlangt und die haben sehr viele auf der Karte als Spezialität. Dann würden irgendwelche windigen Händler direkt in die Gastronomie fahren und aus dem Kofferraum heraus verkaufen, also sie würde sicherlich genauso viel nach Wien den Weg finden, wie wenn wir das ordentlich über unseren Vertrieb an die Gastronomie bringen.“, verteidigt sich der Fleischer.

 

Am Ende stellt sich für den Konsumenten die Frage, lässt sich das Traditionsgericht mit gutem Gewissen genießen? Braucht es strengere Auflagen und Kontrollen oder tierfreie Alternativen oder ist die Tradition nicht schon längst überholt.

Regie: Stefan Wolner & Larissa Putz | Buch: Larissa Putz | Kamera: Christian Roth, Gregor Grkinic | Ton: Josef Umschaid, Arthur Tsal Tsalko, Armin Koch | Schnitt: Alexander Schönauer | Schnittassistenz: Arthur Moussavi Wagner | Sprecher: Daniel Langbein | Tonstudio: Soundfeiler | Produktionsleitung: Benjamin Lehner | Produzent: Kurt Langbein
Eine Koproduktion von Langbein & Partner mit ORF III
Gefördert von Fernsehfonds Austria