Sex, Porno & die Freiheit der anderen
Was von der sexuellen Revolution blieb
TV Dokumentation -
fertiggestellt

Vor 60 Jahren wurden Liebe, Sex und Partnerschaft von vielen Tabus befreit. Statt dessen gewann allerdings oft Kommerz die Oberhand. Heute suchen Viele nach Orientierung.

Die sexuelle Revolution hat Liebe und Sex von manchen Tabus befreit und den Frauen erstmals Eigenständigkeit gebracht. Doch die damals angestrebte Befreiung von allen Fesseln blieb Utopie. Heute herrschen Kommerzialisierung, Suche nach Identität und neue Prüderie.

 

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte eine Sexualmoral, die geprägt war von Tabus und Drohbotschaften: Wer sich selbst befriedigte, riskierte Rückenmarksschwund oder abfaulende Hände. Der weibliche Organismus fand so gut wie kaum Beachtung. Mitunter wurde er sogar als schädlich betrachtet. Klare Geschlechterrollen und romantisierte Häuslichkeit waren die dominante Lebensform. Homosexualität war pathologisiert und kriminalisiert. Und auch wenn die ersten Pin-Ups der Amerikanischen GIs die Phantasie der hiesigen Männer auf ein ungeahntes Niveau beförderte: Die Sexualität war - zumindest an der Oberfläche - in festen Bahnen.

Eine Ära, die Christa Schwertsik noch in lebhafter Erinnerung hat. Die im Krieg geborene Schauspielerin trifft ihre Enkelin Fanny Altenburger, um über die Lust von damals und den Sex von heute zu sprechen. Dass die 22jährige Enkelin Beziehungen mit beiderlei Geschlecht pflegt, scheint die Großmutter kaum zu überraschen: „Ich glaube, dass es Beziehungen der verschiedensten Art immer schon gegeben hat. Du kannst nur jetzt das offener zeigen oder offener leben in dieser oder jener Konstellation. Aber ich glaube nicht, dass die Menschen sich geändert haben.“

Heute scheinen die Moralvorstellungen der 1960er wie ein Schatten aus einer dunklen Epoche. Der Aufbruch in der „Sexuellen Revolution“ hat Ent-Tabuisierung, aber auch Kommerzialisierung gebracht. Heute haben vor allem Jugendliche andere Probleme und Fragestellungen in Bezug auf ihre Sexualität. Welches Geschlecht habe ich? Welche Sexualpartner präferiere ich und wenn ja wie viele? Wie entziehe ich mich der ständigen Präsenz der Pornographie? Sind nun alle Tabus gefallen?

Für den renommierten Wiener Sexualwissenschafter Johannes Wahala ist die Zeit einer von oben gelehrten Moral längst vorbei. Stattdessen sei es notwendig geworden, selbstständig die Grenzen von Gut und Schlecht festzulegen: „Genau darin besteht die Herausforderung des neo-sexuellen Zeitalters. Die Verhandlungs-Moral oder Konsens-Moral ist das zu erstrebende Ideal. Das setzt voraus, dass wirklich zwei oder mehrere gleichwertige Partner und Partnerinnen, sich wirklich auch auseinandersetzen und miteinander zu einem Konsens kommen. Da sind wir noch weit entfernt. Die sexuelle Liberalisierung hat eines gebracht, dass sie nämlich Sexualität geschlechtergerechter machen wollte und nicht nur zu Beute des Mannes oder zu seiner Triebbefriedigung.“

Das Kultivieren einer offen ausgesprochen Konsensmoral hat sich auch der Wiener Verein „Die Schwelle“ zum Ziel gesetzt. Seit 2013 besteht hier ein Sex-Positiver Raum, in dem nicht nur Party gefeiert wird. Es sind vor allem die Workshops, die das Publikum anlocken. Beim sogenannten Play-Fight wird das Ja und Nein-Sagen geübt.

Solche Angebote standen Ute und Johann Giffey nicht zur Verfügung, als sie sich in den 1980er Jahren ineinander verliebten. Die beiden Sexualtherapeuten leiten seit über 25 Jahren eine gemeinsame Praxis in Linz. Kaum etwas, was sich in Schlafzimmern der Menschen abspielt oder eben nicht abspielt, ist den beiden fremd. Sie sehen die großen Fortschritte, die seit der so genannten sexuellen Revolution gemacht wurden. In Hinblick auf ihre eigene Jugend bemerken aber auch sie zunehmen, dass sich so etwas wie eine neue Prüderie in die Gesellschaft einschleicht.

Ein Film von Florian Kröppel & Kurt Langbein | Kamera: Christian Roth | Ton: Arthur Tsal Tsalko | Schnitt: Claudia Linzer | Schnittassistenz: Arthur Moussavi Wagner | Sprecherin: Stephanie Schmid | Produktionsleitung: Brigitte Ortner, Benjamin Lehner | Tonmischung: Soundfeiler | Produktion: Brigitte Ortner
Eine Produktion von Langbein & Partner
in Koproduktion mit ORF/3Sat

gefördert von Fernsehfonds Austria, Filmfonds Wien & Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien

©2022