„Das beginnt mit Herzklopfen im Bauchraum, mein Puls rast, Schwindel kommt dazu und das Gefühl, dass mir der Boden unter den Füßen weggezogen wird“, schildert Wolfgang B. die Symptome: „Auch Todesangst. Wenn es sich steigert, dann kommt die Todesangst dazu“. Für den Film „Angst – Seelen im Krisenmodus“ überwinden Betroffene wie Wolfgang B. die Scham und lassen tief in das Innere ihrer eigenen Geschichte blicken.
Noch nie gab es so viele Angststörungen wie heute. Man schätzt, dass etwa jeder vierte Mensch eine Angstepisode in seinem Leben durchleidet. Dabei wirken die Pandemie und die Corona-Maßnahmen seit über einem Jahr wie Brandbeschleuniger: „Die psychische Belastung ist für allem bei den Jugendlichen gestiegen“, stellt Christoph Pieh von der Donauuniversität in Krems fest. Die Lock-Down-Maßnahmen, die Isolation und das Fehlen sozialer Kontakte haben ihnen besonders zugesetzt. Eine repräsentative Studie der Donau- Universität Krems ergab: Etwa die Hälfte der Jugendlichen zwischen 14 und 20 Jahre beschreibt für sich Zeichen der Depressivität und Angst, das sind fünfmal mehr als vor der Pandemie.
Der Film geht von den seelischen Lasten der Jungen aus, und begleitet Erkrankte, die seit vielen Jahren an Ängsten, Panikattacken und Phobien leiden. Die Emotionen schlagen hoch. Deutlich wird, wie sehr die psychische Erkrankung die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben einschränkt. „Ich hatte plötzlich Angst, dass ich etwas falsch mache, dass das peinlich wird, dass ich hinfalle und dass ich ausgelacht werde“, schildert Alma B. den Beginn ihrer Krankheit während der Schulzeit: „Ich sollte zu einem Referat und spürte dann, dass sich alles steigerte und immer stärker wurde, bis zur echten Todesangst“.
Der Film wechselt zwischen dem intensiven Erleben der Erkrankten und der Perspektive der Wissenschaftler:innen: Wann wird Angst tatsächlich zur Last? Warum entsteht die Krankheit vor allem in jungen Jahren? Welche Therapien helfen – und was befördert die Gesundung? Die filmische Reise führt von Österreich mit dem monatelangen Schließen der Schulen, der Sportplätze und Freizeitzentren über Deutschland nach Schweden. Die Regierung in Stockholm wählte einen „Sonderweg“, in dem sie entschied, die Schulen und damit die Möglichkeit der sozialen Begegnung, weitgehend offen zu lassen. „Die Orientierung in der gleichaltrigen Gruppe ist so wichtig“, betont Paul Plener, verantwortlich für die Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Medizinischen Universität Wien: „Die Jugendlichen durchleben eine sehr empfindliche Lebensphase. Sie müssen in kurzer Zeit viele wichtige Entscheidungen treffen, es geht um die Schule, die Ausbildung oder Lehre. Und um die große Frage: Was mache ich mit meinem Leben?“ Ein Entscheidungsdruck, der in späteren Jahren nachlässt und weniger anfällig für psychische Erkrankungen macht.
Die filmische Reise der Regisseurin Andrea Ernst zeigt, wie Genesung mit Psychotherapie möglich wird – und wie wichtig es schon in der Kindheit ist, Widerstandskraft gegen traumatische Lebensereignisse aufzubauen. Ein Plädoyer für die große Bedeutung der eigenen inneren Kräfte – und die Notwendigkeit einer sicheren sozialen Umwelt und Gesellschaft. Denn Angst kann auch politisch gewollt und geschürt werden. Und entfaltet dann einen besonderen toxischen Cocktail.